Sonntag, 28. Dezember 2014

Vorsätze, Teil 1

Liebe Familie, falls einer von euch diesen Eintrag lesen sollte, dann möchte ich noch mal versichern: ich habe mich sehr, sehr, sehr auf euren Weihnachtsbesuch gefreut, war glücklich, dass ihr da wart, und das nicht nur, weil ihr so hervorragende Babysitter abgebt, und finde, ohne euch ist das ganz schön leer hier.

Dieser Hinweis war leider nötig, denn man hätte auf die Idee kommen können, es wäre anders. Am 22., 23. und 25. bin ich glaube ich vor elf ins Bett verschwunden, mitten im Satz. Am 24. hatte ich gewaltig einen im Tee (keine Angst, Babypolizei, gestillt wurde erst spät am nächsten Vormittag wieder) und bin ebenfalls vor allen anderen verschwunden, um Schlimmeres zu verhindern. Zwischendurch war immer gerade da etwas zu tun, wo gerade sonst niemand war - in der Küche, im Keller, in meinem Zimmer. In einem Haus mit zwei Babys ist ständig irgendwelcher Babykram zu tun, Wäsche anzuwerfen oder aus dem Trockner zu holen, Windeln zu wechseln, zu Stillen oder Fläschchen zu sterilisieren, hinsetzen und in Ruhe ein Pläuschchen halten ist also trotz Babysittern nicht leicht. Und wenn ich an die Pläuschchen denke, die ich gehalten habe - nee, nee, nee.

Die Wahrheit ist, ich verblöde. Wieder mal, wie damals nach Kalles Geburt. Vielleicht liegt es nur am Schlafentzug, vielleicht auch am Wegfall des Arbeitslebens (auch wenn ein Job in der Werbebranche zur Hirnveredelung kaum taugt). Vielleicht sind es die Hormone, vielleicht ist es der Stillnebel. Ich gebe wirklich kaum noch einen vernünftigen Satz von mir. Hat der Satz Subjekt, Prädikat und Objekt, kann ich mir schon auf die Schulter klopfen. Noch schlimmer wird es vermutlich, wenn ich abgestillt habe und abends wieder häufiger Wein trinke. Und das Schlimme ist, das ist nur eine Sache mehr, bei der mir die Kontrolle entgleitet. Ich wollte die Hütte hübsch dekorieren. Ich wollte jede Minute der Feiertage genießen. Ich wollte vor allem meinen Kindern zeigen, wie schön das ist, Weihnachten mit der Familie zu feiern. Ich wollte mich abends nett mit meinen Geschwistern und Eltern unterhalten. Ich wollte eine ganze Menge, und obwohl es schön war, habe ich nicht das Gefühl, dass ich besonders viel davon geschafft habe. Und auch das scheint einfach so passiert zu sein, ohne dass ich mit meinem bisschen Energie und meinem Müdigkeits-vernebelten Hirn besonders viel hätte gegensteuern können.

Mein einer, großer Vorsatz für nächstes Jahr ist also: Kontrollgewinn. Das klingt vielleicht nicht nach Spaß - kann trotzdem lustig werden. Ich möchte 2015 weniger von diesem "Oh Gott, schon wieder 22 Uhr und nichts von all dem geschafft, was ich heute gerne getan hätte"-Gefühl, dieser dumpfen Panik, im eigenen Leben mitzufahren wie in einer von besoffenen Schaustellern zusammengeschraubten Achterbahn. Ich will dann ins Bett gehen, wenn ich will, und nicht dann, wenn ich meine Augen nicht mehr aufhalten kann. Ich will nicht ab 9 Uhr morgens schon wieder darauf hinfiebern, wenn endlich 19 Uhr ist und Kalle ins Bett kommt, um ihm dann eine knappe Stunde später nachzufolgen. Ich will öfter mal zum Sport, ob mit oder ohne Kindern. Ich will mit Kalle zum Eltern-Kind-Turnen. Ich will vorbereitet sein auf Geburtstage und Feiertage. Ich will meine Kleider wenn nötig gebügelt tragen und mir morgens einen einigermaßen kontrollierten Lidstrich ziehen. Ich will regelmäßige Zeiten für mich haben, in denen ich schreiben kann, und damit meine ich nicht nur den Blog. Ich will endlich eine Online-Mappe, die man sich gerne anguckt und in der auch tatsächlich meine Arbeiten zu sehen sind. Ich will einmal im Jahr zum Zahnarzt und zum Hautarzt. Wenn ich mir überlege, mit den Kindern auf den Spielplatz zu gehen, dann will ich nicht als Erstes denken "Oje oje, der ganze Krempel, das schaffen wir nie", sondern einfach den ganzen Krempel zusammenpacken und losschieben. Ich will, dass der Hund mir gehorcht. Ich will nicht sieben Sorten Shampoo im Anbruch haben, sondern eine. Ich will nur noch Kleider, die ich gerne genug trage, um mir die Mühe zu machen, sie zu bügeln. Ihr findet, das hat mit Kontrolle nichts zu tun? Ich rede auch von Kaufimpulskontrolle: souverän in einen Laden gehen und ihn noch souveräner zehn Minuten später unerledigter Dinge wieder verlassen, wenn mich nichts darin wirklich überzeugt.

Liebe Abkürzungsdamen, dieser Post endet hier, weil mein einjähriger Sohn seit zehn Minuten versucht, an mir hochzuklettern, und ich ihn nicht unter Kontrolle bekomme. Aber zehn Minuten lang habe ich standgehalten! 2015 werden fünfzehn daraus, ganz bestimmt! Ich hab ein gutes Gefühl.

4 Kommentare:

  1. Jetzt endlich biste mir sympathisch ;-) Das klingt doch mal normal und nicht immer so VIP-mäßig ;-) Wir sind alle gleich.

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  2. witzig, ich hätte eher gedacht, daß jetzt so etwas wie "hingabe", "loslassen", "die dinge annehmen, wie sie sind" als jahresvorsatz käme. sozusagen weich werden statt härter... über "kontrollgewinn" war ich echt überrascht. es ist wie es ist ;-)
    ein lieber gruß, eva

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  3. Kann auch ohne kinder verstehen was du meinst, ein bisschen mehr das selbstbestimmtheitsgefühl, das wäre toll

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  4. 10 Minuten! Meinen tiefsten Respekt! :-)

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