Donnerstag, 10. Juli 2014

Momos linker Fuß, Teil 2.

Die ersten zehn Minuten waren ein Schock. Ich hatte mir Sorgen gemacht, das Wiedersehen würde Momo so sehr aufregen, dass sie sich etwas tut. Die Sorge hätte ich mir sparen können. Sie war ganz teilnahmslos, wie unter Drogen (obwohl sie keine Schmerzmittel mehr bekommt), ein Hundezombie. Gefressen hat sie wohl auch nicht viel in den letzten Tagen - und das bei einem Hund, vor dem man Kuchen, Brot und überhaupt so ziemlich alles gar nicht hoch und weit weg genug von der Kante in Sicherheit bringen kann. (Ich kann schon nicht mehr aufzählen, wie oft sie sich an frisch gebackenen Kuchen bedient hat, die über einen Meter von der Tischkante entfernt standen oder auf fast 1,50 hohen Heizkörpern. Zuletzt habe ich solche Sachen auf Kleiderschränke gestellt. Sogar mir macht sie in puncto Verfressenheit noch etwas vor.)

Wir haben geschluckt und uns daran gemacht, ihr die Heimkehr zu versüßen. Ich habe nach Anweisung ihres alten Frauchens Reis mit Broccoli und einer Spur Hühnerbrühe gekocht, das hat sie gefressen. Ich gebe ihr Wasser mit einem Schuss frischer Milch für den Geschmack, das trinkt sie dann - sie drohte schon zu vertrocknen, frisches kühles Wasser interessiert sie leider noch nicht. L. trägt sie nach draußen, wo sie ihre Geschäfte macht. Tagsüber schläft sie meistens, nachts dagegen eher nicht: L. und ich haben uns abgelöst, die erste Hälfte der Nacht hat er auf ein paar Kissen auf dem Wohnzimmerfußboden neben ihrem Schlafsofa zugebracht und ihr die gesunde Pfote gehalten, die zweite Hälfte war ich dran. (Nächste Nacht tragen wir eine Matratze runter, drei Sofakissen taugen nicht als Bett für Damen im sechsten Monat oder zwei-Meter-Männer.) Manchmal weint sie, sie scheint immer noch nicht richtig zu wissen, wo und wer sie ist. Aber ganz allmählich nimmt sie wieder mehr Anteil. Sie guckt Lili hinterher, wenn die einem Ball nachflitzt, sie versucht, mir hinterher zu humpeln, wenn ich in ein anderes Zimmer gehe, sie ist schon alleine aufs Sofa gestiegen und einmal selbständig in die Küche geschwankt, um dort ein bisschen zu trinken, und gestern Abend hat sie sogar wieder geschnurrt, als ich sie am Ohr gekrault habe - ihre Hundeglücksstelle. Wir müssen viel Geduld haben und ihr helfen, wo wir können. Jeden Tag fährt L. sie zweimal in die Klinik, dort wird dann der Verband geöffnet und die Ruine gewaschen, von abgestorbenem Gewebe gesäubert und neu verbunden. Mit Glück, viel Sorgfalt und Hygiene breitet sich dieser Zerfall nicht auch auf das Gewebe aus, das eigentlich zu retten ist - sollte das passieren, muss der größte Teil des Beinchens abgenommen werden, frisch mit Stahl verschraubte Knochen hin oder her. Aber vielleicht bleibt es dabei, dass sie nur eine von vier Zehen verliert und der Rest wieder heilt. So oder so wird das alles noch Wochen dauern. Kein Wunder, wenn einem Menschen - um einiges größer und stabiler gebaut - so ein Riesenauto über den Fuß fahren würde, würde er vermutlich ein halbes Jahr mit Reha verbringen, wenn nicht mehr.

2 Kommentare:

  1. :( oweh...wie lieb ihr seid...ist nicht schön mit anzusehen, wenn es unseren vierbeinigen Freunden schlecht geht...ich drücke weiter die Daumen, dass alles gut verheilt und kraule in Gedanken die Hundeglücksstelle :*

    AntwortenLöschen
  2. Selbstgekochte Hühnerbrühe ist bestimmt auch für Hunde gut. Das Cystein, was aus Knorpeln und Knochen rauskocht ist entzündungshemmend, vielleicht ist das zusammen mit dem Fleisch eine gute, stärkende und tröstende Krankenkost für Momo?
    LG Nina aus HH

    AntwortenLöschen