Dienstag, 30. Juli 2013

Kalle und das Trinken.

Das Tolle an Kalle ist ja, dass sein Kopf so unfassbar weich ist. Und seine Nase so glänzend und klein und kompakt und orange. Und dann, dass er so lange Finger hat, mit denen er schon richtig, richtig fest zupacken kann. Und die kleinen Geräusche, die er macht: das kleine Atmen, das kleine Niesen, das kleine Schnaufen, das kleine Schmatzen und das kleine Hecheln, wenn er gerade wieder sein kleines Headbanging auf der Suche nach etwas zu Essen macht. Und sein Geruch, der ist natürlich auch toll, so warm und süß und frisch wie ein gerade gebackener Kuchen, nur noch besser. Und die knallroten Schrumpelfüße. Und wenn er eine Flunsch zieht, dann hat er mich. Ich habe ja leider schon immer eine Schwäche für Männer, die genervt gucken, und da kann er ganz vorne in der ersten Liga mitspielen, mit solchen Größen wie Jimmy Stewart oder Daniel Craig.

Das mit dem Trinken war erst mal nicht ganz so toll.

Phase 1: dauerte ungefähr bis Montag. Aus mir kamen täglich bei allen Bemühungen samt Pumpen, Pumpen mit Baby im Blick, Pumpen mit Ausstreichen etc. und extrem, extrem häufigem Anlegen vielleicht zehn bis zwölf klebrige gelbe Tropfen. Die Hebammen sagten, das wäre normal und würde Kalle reichen so kurz nach der Geburt. Ich war da skeptisch. Draußen herrschten ca. 30 Grad, Kalle nahm fürchterlich viel ab, und sein Blut wurde irgendwann so dick, dass sie ihn bis zu drei mal pieksen mussten für einen simplen Bluttest wegen der Gelbsucht, und dann hatten sie immer noch kein vernünftiges Messergebnis. Trotzdem sagten die Hebammen auf der Station, ich sollte lieber nicht zufüttern.

Phase 2: Die Kinderärztin hatte ein Einsehen, und ich durfte Primergen zufüttern, eine Milch für ganz, ganz neugeborene Babys. Allerdings laut Hebamme nur mit einer Spritze, damit Kalle das Trinken an der Brust nicht verlernt. Primergen fand er toll, die Spritze nicht so. Außerdem dauerte jeder Trinkzyklus jetzt fast zwei Stunden und ging damit in dem Moment zu Ende, in dem der nächste eigentlich beginnen sollte: Stillen. Dann Wickeln. Dann Primergen füttern. Donnern aus der Windelregion, noch mal Wickeln. Abpumpen. Und wieder von vorne. Inzwischen war ich bei ca. 20 klebrigen Tropfen pro Tag angekommen.

Phase 3: Auf der Neugeborenenstation kam er nicht nur in eine Lichtkiste gegen die Gelbsucht, sondern bekam auch eine Infusion gegen das dicke Blut. Mir ging es zwar durch und durch, ihn an diesen Kabeln zu sehen, aber am Ende überwog die Erleichterung, dass ihm geholfen wird und dass das hier nur für einen Tag ist und es ihm danach besser geht. Außerdem erlaubten mir die Hebammen, ihn mit dem Sauger zu füttern: "Wieso, andere Kinder kriegen doch auch Schnuller und werden trotzdem gestillt? Wo ist das Problem?" Und siehe da, er trank wie ein Russe, inzwischen auch normale HA-Pre-Milch, nuckelte zwischendurch beim Stillen kräftig drauflos, die Milch wurde langsam mehr, und ein tiefer Friede kam über mich.

Zuhause machen wir das jetzt so: ich stille ihn, wenn er Hunger hat. Er trinkt auf beiden Seiten ganz ordentlich. Wenn er dabei nachlässt und sich auch nicht ermuntern lässt, neu loszulegen, dann gebe ich ihm die Milch, die ich nach dem letzten Stillen abgepumpt habe. Und hat er dann immer noch Hunger, dann bekommt er noch ein Fläschchen, das ich zubereite, während ich das ganze Pumpengerümpel spüle. Das kommt allerdings nicht oft vor, normalerweise reicht ihm eins mitten am Tag, eins abends so um halb elf und eins nachts um vier.

Es ist nicht zu fassen. Ich stille. Und zwar mein eigenes, selbstgemachtes Baby. Das mit dem weichen Kopf und den feinen, kleinen Geräuschen.

9 Kommentare:

  1. Das ist sooo schön zu lesen. Wirklich wundervoll. :) Da werde ich ganz rührselig und grabe meine Nase in flauschige blonde und brünette Babyhaare und genieße. (Auch wenn sie jetzt wild zappeln... ;))

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  2. einfach schön!

    -Mike

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  3. Liebe, Liebe, Mutterliebe in jeder Zeile. Hach! Da ist man gleich mitverliebt!

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  4. Ich bin so gerührt von dem was du schreibst und freue mich unendlich für euch. Jedes Wort in diesem Post spiegelt das große große Glück wider, das ihr nach diesem langen Weg zu eurem Wunschkind jetzt erlebt.
    Genau deshalb machen wir weiter und gehen in Behandlungen, die uns vor nicht allzu langer Zeit eher Angst als Hoffnung gemacht haben, deshalb geben wir so viel Zeit und teilweise auch Leichtigkeit her, um hoffentlich am Ende unser eigenes kleines, selbstgemachtes Baby mit seinen kleinen Füßchen, seinem kleinen Köpfchen und den kleinen feinen Geräuschen im Arm zu halten.

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  5. Das hört sich alles sooooo wunderschön an! Ich freu mich sehr für dich! Alles Liebe weiterhin, S.andra

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  6. Soooooo schöööööön! Prima, Mama Flora! Freu mich so!

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  7. War bei uns auch so, Gelbsucht, kaum Milch, der Wurm hat auch zu viel abgenommen, haben dann in der Klinik mit dem zufüttern begonnen. Zuhause stillen, Pumpen, Flasche, stillen......hab 2 Monate durchgehalten, dann komplett auf Flasche umgestellt. Uns ging es Super damit, ich war deutlich weniger gestresst und das Kind länger satt. Still solang es geht und wenn nicht mehr, hab kein schlechtes gewissen!!! Hauptsache Boje geht es gut.

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  8. Ich freu mich so für Euch!!
    Und mach Dich drauf gefasst - die Liebe wird sogar immer noch stärker, jeden Tag, auch wenn man sich das kaum vorstellen kann. Meine Erfahrung ist bis jetzt ein 2,5 Jahre lang stetig zunehmendes unfassbar-süß-und-duftend-wundervoll-und-unvergleichlich-jeden-Tag-dankbar-Gefühl. Ob das irgendwann aufhört sich zu steigern? Mein Mann meint, dazu wäre dann die Pubertät da, mal sehen.

    Viele liebe Grüße von
    Jo (die seit 2009 mitliest und sich so freut, dass er jetzt wirklich endlich da ist, Euer selbstgemachter Süßer!! )

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  9. Wenn ich da an deine Ängste denke, dass du ihn nicht lieben können wirst, muss ich schmunzeln. Du klingst voller Mutterliebe und das ist schön!

    Kathi (die auch schon länger mitliest)

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