Der Zyklus, in dem ich in der Apotheke eine re-importierte Packung Menogon bekommen hatte mit Spritzen zum Selberbasteln und Ampullen, die immer erst nicht zu knacken waren und dann mit einem miesen kleinen Geräusch in tausend scharfe Splitter zerbrochen sind, die sich in meine Finger (am liebsten in die Gelenke, wo es richtig, richtig weh tut) bohrten. Ich nenne diesen Zyklus den Splatter-Zyklus. (Noch vor einer Woche habe ich ein Kamera-Objektiv gefunden, das Blut auf der Linse hat. Das war Menogon.)
Die Ausschabung damals nach der Fehlgeburt. Im Wartezimmer vom Kleinkind der assigsten Eltern der Welt angeflirtet zu werden (es hat versucht, auf meinen Schoß zu klettern, während ich versucht habe, bitte bitte nicht auch noch zu heulen.) In der Klinik wieder aufwachen und gebeten werden, bitte an unserer kleinen Umfrage teilzunehmen: waren Sie zufrieden mit unserem Service? Würden Sie sich hier nochmal behandeln lassen? Würden Sie uns weiterempfehlen? Danke für Ihre Kooperation!
Die Hochzeitsreise ein paar Tage nach der Ausschabung. Ich war ein Haufen Matsche in Sommerkleidern. Ich hätte eine Woche zuhause bleiben und mich auf dem Sofa mit Junk Food vollstopfen sollen. Stattdessen bin ich teilnahmslos durch Venedig, Siena, Rom und Perugia gechlurft und war weder fähig, irgend etwas zu entscheiden noch zu genießen. Und das waren verdammte Flitterwochen. Unglücklich zu sein ist eine Sache, aber unglücklich zu sein und dabei die ganze Zeit zu wissen, dass man jetzt gefälligst glücklich zu sein hat, ist übel. Einmal bekamen wir Streit mit einem italienischen Schaffner, ich bin sofort eingeknickt, und L. wurde wütend, dass ich ihm in den Rücken falle. Ich habe zwei Stunden lang geheult. "Und? Wie war die Hochzeitsreise?" "Schön! SCHÖN!"
Die vielen, vielen, vielen, vielen Warteschleifen, in denen ich erst dachte: das wird wieder nichts, aber gleichzeitig eine hormonell besprittete Persönlichkeitsspaltung vollzogen hatte, so dass ich imstande war, mir überhaupt keine Hoffnungen zu machen und gleichzeitig sicher zu sein, dass es genau deshalb jetzt klappt. Ich konnte zum Beispiel mit den Hunden spazieren gehen und plötzlich ein leichtes Kribbeln links unten fühlen und dann denken: Kribbeln-Popibbeln, das hat absolut nichts zu bedeuten, ABsolut nichts, und dann in mich reinzuschmunzeln und mich für einen Moment zu fühlen, als wäre jetzt schon drei Jahreszeiten später, ich hätte mein Kind im Arm und würde an diesen Moment denken und könnte wahrheitsgemäß sagen, ich hätte es da schon gewusst. Und dann der Test, wieder negativ, oder zwei Stunden später meine Tage, so ein Pech, und dann fühlt man sich wie der größte, naivste, peinlichste und armseligste Vollidiot der Welt.
Die unfassbar vielen Menschen, die einen kaum kennen und trotzdem fragen, ob man schwanger ist. Wenn man es so dermaßen hartnäckig und verfickt noch mal nicht ist. Fehlt nur noch, dass sie einem dazu ins Kinn kneifen.
Seinen Rechner aufklappen, den Code eingeben und 1.873 Euro überweisen. Schon wieder. Für nichts. Für ein Tütchen Medizinmüll und eine Großpackung Camelia supersupersaugstark.
"Eine Freundin von mir hat irgendwann aufgehört und dann einfach so zwei Kinder bekommen."
"Ich hab einen ganz tollen Homöopathen, ich geb dir mal die Nummer, das ist doch Irrsinn mit diesen Hormonen und OPs, ein Kind zu kriegen ist doch die natürlichste Sache der Welt, gell?"
"Ist ja kein Wunder, dass du noch nicht schwanger bist, mit diesen ganzen Spritzen und OPs und Medikamenten kann das ja nichts werden."
"Ich WEISS, was dir fehlt: Chlamydien! Die machen wir weg, meine Homöopathin und ich, und dann wirst du SCHWANGER!!!"
"Also ehrlich gesagt würde ich mal drüber nachdenken, einfach das Rauchen aufzugeben? Hm?" (Das mir. Wo ich im Monat im Schnitt auf eine, höchsten zwei Schachteln komme.)
Einer Journalistin ein total nettes und entspanntes Interview geben und hinterher in der Zeitung lesen, es wäre für mich der pure Hass, an einem Spielplatz vorbeizulaufen.
"Für uns ist das alles einigermaßen entspannt. Wir haben ja noch zwei andere Chancen auf Enkelkinder."