Dienstag, 25. September 2012

Revue der guten Laune.

Gestern war das letzte Adoptionstreffen, da ist es wohl Zeit dafür, die Dinge Revue passieren zu lassen, die ich in den letzten Wochen und Monaten so zu verarbeiten hatte.

Die Chancen, dass wir überhaupt ein Kind auf diesem Weg bekommen, sind - wenn man nur die nackte Zahl sieht - ziemlich klein. Irgendwo zwischen 1:5 und 1:9. Das ist nicht sehr ermutigend, manche IVF hat bessere Erfolgschancen.

Wir haben jetzt schon so viel über Traumatisierungen fürs Leben, nicht mehr gutzumachende Schäden, verborgene Krankheiten und Macken und all das gehört, dass es fast die Ausnahme zu sein scheint, wenn das Kleine einfach nur aufwächst und klarkommt.

Am besten ist es, wenn wir uns erst mal nichts anderes mehr vornehmen. Wenn wir keine Karrieresprünge anstreben, wenn wir keine Weltreise planen, wenn wir ab sofort verhüten (als ob... sagt die kleine Endometriosemaus, die jetzt seit Monaten zwangsweise durchgehend die Pille nimmt und von ihrer Frauenärztin auch jedes Mal abgebürstet wird, wenn sie vorsichtig anfragt, ob das nicht auch anders geht, denn immerhin... ist doch irgendwie... doof, oder? Komisch? Aber gut, ich werde empfindlich drauf achten, ab sofort die Pille immer auf die Minute pünktlich zu nehmen. Nicht dass da noch was schief geht trotz Verhütung, Endo, Myomen und verklebten Eileitern. Verhütungsmäßig bin ich die Dame ohne Unterleib. Aber selbst die... das passiert ja STÄNDIG, dass wir nach erfolgreicher Adoption plötzlich schwanger werden! Ich rechne eigentlich jeden Tag damit, und dann haben wir den Salat.)

Ich komme nicht los von diesem Punkt: auf den bloßen Verdacht hin, dass das mit 1:9 relativ unzuverlässig eintretende Wunder passiert, sollen Paare, die vermutlich seit vielen Jahren immer nach Kalender Sex haben, alles, wirklich alles richtig machen wollen, die richtigen Tees trinken, die Finger vom Kaffee lassen, nicht mehr rauchen, nicht mehr trinken, eigentlich gar nichts mehr tun... die jedenfalls sollen nun nicht nur aufhören mit Hormonbehandlungen, sondern verhüten? Jahrelang?
(Bin ich froh, dass ich gestern beim Treffen den Mund aufgemacht habe. Sonst wäre ich inzwischen vermutlich implodiert und würde als hässliche, immer noch aufgeregt wabbende Matschflecken an den Wänden meines Arbeitszimmers kleben. Dann hätte sich das mit der Verhütung natürlich auch erledigt.) Diese Regel, es tut mir leid, schreit danach, dass man drauf scheißt.

Zurück zu anderen Themen: es ist also gar nicht so unwahrscheinlich, dass wir kein Kind bekommen. Gar nicht so unwahrscheinlich, dass das Kind, falls wir eins kriegen, an Leib und Seele schwer krank ist und sein Leben lang auf unsere Hilfe, Geduld und Liebe angewiesen sein wird. Gar nicht so unwahrscheinlich, dass seine Mutter sich das alles noch mal überlegt und es nach fünf Monaten wiederhaben will. Gar nicht so unwahrscheinlich, dass sie einfach verschwindet und der Notartermin einfach jahrelang nicht zustande kommt. Gar nicht so unwahrscheinlich, dass das Kind spätestens in der Pubertät gründlich die Schnauze voll hat von uns und dann jeden Kontakt abbricht.

Und trotzdem, trotz all diesem Mist bin ich gerade so optimistisch wie nie. Vielleicht war es das ehemalige Adoptivkind gestern: eine Frau von über 50, die zwar auch ihre Krise mit ihren Adoptiveltern hatte, aber doch ein ziemlich prächtiger Mensch geworden zu sein scheint. Und das dünne, schmale Paar mitten zwischen uns, dem wir alle immer wieder schüchterne Seitenblicke zugeworfen haben, das das Kind zuhause bei der Großmutter gelassen hatte und jetzt da saß wie von einem anderen Stern. Ich glaube gerade, das wird was. Vielleicht will ich das nur glauben, um mal für ein paar Minuten mit dem Aufregen aufhören zu können. Aber trotzdem glaube ich das.

Es ist merkwürdig: ich bin zwar nicht gern hingegangen, aber die Treffen in der Gruppe waren das letzte, was wir nach der Aufnahme in die Kartei noch zu tun hatten. Jetzt können wir nur noch (selbstverständlich mit Verhütung, klar) vor uns hinleben und warten.



1 Kommentar:

  1. Also, diese Regel, alles zu tun, damit ja kein eigenes Kind entsteht, finde ich vollkommen absurd! Erstens ist die Chance sowieso recht klein, dass nach jahrelangen Versuchen es ausgerechnet jetzt klappt, zweitens - wie du richtig schreibst - wo ist das Problem? Wer sich so sehnlich ein Kind wünscht, wünscht sich doch sowieso meist zwei - oder drei ... Die Annahme, dass man das adoptierte dann vernachlässigen würde, halte ich für Quatsch - schließlich wurden die Paare ja gründlich durchgecheckt, wie du eindrucksvoll beschrieben hast. Und nur die für gut befunden, bei denen der KiWu wirklich extrem groß ist und eben locker für zwei reicht. Ich verstehe auch nicht, warum man mit der KiWu-Behandlung aufhören soll. Mein Tipp wäre, diese Regeln zu ignorieren und weiter ALLES zu versuchen, inkl. ICSIs. Ich bin sicher, du könntest auch mit dem - für dich sicher großartigsten - für die Behörde wohl eher worst case Szenario - nämlich Adoptivkind plus eigenes als Geschwisterkind prima leben und es wäre auch für die Kiddis super... Aber sag's nicht der Behörde :-)
    G.X. Liebe Grüße einer weiteren Abkürzungsdame

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