Freitag, 27. Juli 2012

Zwei Wochen und drei Tage, zehn Läufe.

Als ich heute morgen um sechs davon aufgewacht bin, dass der Hund mich angebellt hat und meine durchgeschwitzte Decke sich um mich geschlungen hatte wie eine Boa Constrictor, war ich nicht ganz sicher, ob ich das frühe Aufwachen ausnutze und jetzt durch den Park trabe, so lange noch menschliche Temperaturen herrschen, oder ob Boa und ich es noch ein-zwei Stündchen miteinander versuchen. (Morgens um sechs bin ich mir übrigens über gar nichts sicher.) Immerhin ist heute mein erster Ferientag: gestern war ich zwar auch nicht in der Agentur, aber hatte tüchtig für einen anderen Kunden zu tun.

Ich bin dann liegen geblieben und um acht wieder aufgewacht. Und jetzt liege ich in einem Bademantel, der sich wie eine Boa Constrictor um mich schlingt, auf dem Sofa, trinke Tee und will euch berichten, wie das so läuft mit meinem Laufprogramm.

Das ist es nämlich: ein Programm. Ich laufe nicht nur, ich laufe mit Plan. Mit dem von Dr. Marquardt, der sehr für langsamen Einstieg und dünne Schuhe ist.

So sah der Plan bisher aus:
1. Woche:
2 Minuten gehen, 1 Minute laufen, 1 Minute gehen, 1 Minute laufen usw. bis 15 Minuten um sind.
2. Woche:
2 Minuten gehen, 1 Minute laufen, 1 Minute gehen, 2 Minuten laufen, 1 Minute gehen, 2 Minuten laufen usw. bis 15 Minuten um sind.
3. Woche:
2 Minuten gehen, 2 Minuten laufen, 1 Minute gehen, 3 Minuten laufen, 1 Minute gehen, 3 Minuten laufen usw., bis 15 Minuten um sind.

Bisher besteht die größte Herausforderung darin, mich am Riemen zu reißen - also nicht zu schnell zu rennen und nicht nach 15 Minuten zu denken, ach was, ich lauf jetzt noch eine Viertelstunde. Gleichzeitig merke ich, dass das am Riemen reißen sich lohnt: die neuen Schuhe laufen sich völlig anders als die alten Cassettenrecorder, ich kann in aller Ruhe an meiner Technik arbeiten ("hihi, was denn für Technik? Beim Laufen? Hihihihi!") an meiner Technik arbeiten, sage ich, und ich merke, dass meine Muskeln, Sehnen, Knochen und Gelenke bei jedem Lauf etwas dazulernen. Wobei ich da vorsichtig bin, wir Abkürzungsdamen merken ja ständig so einiges, was sich angeblich gerade in unseren Körpern abspielt, und hinterher war wieder alles nur ein böser Streich unserer strapazierten Nerven.

Wie sich das auf mein Gewicht oder meinen Körperfettanteil ausgewirkt hat, weiß ich noch nicht, denn Wiegetag ist erst am 10. August. Und natürlich wäre es großartig, dann ein-zwei Kilo weniger zu wiegen oder sogar ein bisschen Körperfett abgebaut zu haben, aber wenn nicht, schmeiße ich meine hübschen Nike free run auch nicht gleich wieder in die Ecke, denn ich WEISS einfach, dass mir das gut tut.

Folgendes hat sich verändert:
* ich habe seit Start dieses Laufprogramms nur ein einziges Mal den Fahrstuhl in der Agentur benutzt, und das auch nur aus Höflichkeit, weil die Handwerker extra auf mich gewartet hatten und ich nicht wollte, dass sie mich für eine versnobte Büroschlampe halten. Unsere Büroräume sind im sechsten Stock. An jedem Arbeitstag in der Stadt steige ich da mindestens zwei mal rauf: einmal morgens und einmal nach der Mittagspause.
* ich hatte mir irgendwann mal gestattet, mir an einem meiner drei Agenturtage entweder eine Pizza in meiner Lieblingspizzeria in der Innenstadt oder einen Burger mit Fritten und Mayo aus meinem Lieblingsburgerladen zu gönnen. Seit Laufstart hatte ich keinen einzigen Burger und nur eine Pizza, allerdings aus einem dieser Impulse heraus, die sich immer rächen, eine mit Ziegenkäse, eingelegten roten Pfefferkörnern und Honig, und die hat geschmeckt wie ein weihnachtliches Duschgel, war also schön zum Abgewöhnen. Jetzt esse ich in der Mittagspause Salat, vegetarisches Curry vom Inder, gemischte Vorspeisen vom Syrer oder etwas asiatisches mit Rind und Gemüse. Seit Wochen hat in der Mittagspause nichts Frittiertes mehr den Weg über meine Lippen geschafft. Und das war gar nicht so schwer. Genauer gesagt, überhaupt nicht.
* ich schlafe besser, jedenfalls dann, wenn mich nicht gerade meine Decke erwürgen will.
* ich habe keine Knieschmerzen, keine Schienbeinschmerzen und keine Rückenschmerzen mehr.
* ich habe bessere Laune. Fragt L.
* zum ersten Mal habe ich ein Laufprogramm, über das ich nicht ständig reden muss. Ich laufe einfach und gut. (Diesen Post sehen wir als Ausrutscher, ja? Ich berichte dann am Wiegetag wieder.)
* ich hole mir morgens kein Mayogetränktes und mit Industriemüllsalami belegtes Brötchen für 3,90 mehr, sondern kaufe Montags ein paar Scheiben Roggenvollkornbrot und bringe mir Käse und Bioschinken mit in die Agentur.
* ich dusche fast immer kalt. Gut, draußen sind 30 Grad, aber vielleicht schaffe ich es, das in den Herbst rüberzuretten? Es macht nämlich lustig.

Und wem habe ich das zu verdanken? Dass ich nicht wieder in so einem Laufprogramm stecke mit den Monsters of Sportschuh und erst vier Wochen euphorisch um die Alster renne, um dann wieder keine Treppe runterzukommen vor Schienbeinschmerzen? Meiner lieben Freundin B., die mir vor vier Wochen abends auf einem Eimsbüttler Balkon von diesem Buch mit dem albernen Titel und dem sehr schlauen Inhalt erzählt hat. Und wie schon vor ein paar Jahren ihr Parfum, habe ich ihr jetzt schon wieder etwas Tolles nachgemacht. Und das Bittere daran ist, dass ich jetzt jeden zweiten Tag fröhlich um den Park renne und sie bei dieser Affenhitze nach einer OP im Bett liegen muss, Boa Constrictor hin oder her, und in den nächsten Wochen an Laufen für sie nicht zu denken ist. Fair ist das nicht. Aber ich wünsche ihr ganz feste, dass sie spätestens im Oktober schon wie eine Gazelle an uns allen vorbeizieht.

3 Kommentare:

  1. Hallo Flora,

    welchen Titel (Laufbuch) von dem Herrn hast du dir denn gekauft? Ich hab gesehen, der hat einige veröffentlicht.
    Ich persönlicht dachte immer, Laufen ist GAR NIX für mich - schaut fast so als, als wäre ich jetzt auf den Geschmack gekommen... :) Bin aber noch blutige Anfängerin.

    Ich wünsche dir einen wunderschönen Urlaub und weiter frohes Laufen!!

    Liebe Grüße L. aus Tirol

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  2. Das mit dem Grünkern und dem Erfolg. Den Motivations-Quatsch habe ich komplett überblättert, sowas brauche ich nicht, aber alles zum Thema laufen, kalt duschen etc mache ich genau so und finde es großartig. Liebe Grüße!

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  3. Danke!
    Das Kalt-Duschen legt mir meine Freundin immer wieder ans Herz, ich weiß nur nicht, ob ich das im Winter beibehalten kann ;)
    Liebe Grüße! L.

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