Donnerstag, 24. Mai 2012

Ex-Ausbrecherkönigin Lili

Der Garten ist riesig und voller Gelegenheiten für Lili, Spaß zu haben. Da sind Löcher zu graben, Stöcke zu zerkauen, alte Tennisbälle von hier nach da zu schleppen, zu vergessen und dann als nette Überraschung wiederzufinden... falls sie gerade keine Lust hat, meine frisch angepflanzten tränenden Herzen und Hortensien zu bewundern. Trotzdem reicht es nicht. Es reicht irgendwie nie, verflixt noch eins! Da tut man und macht...
Kurz nach unserem Einkauf haben wir angefangen, uns nach einem Zaun umzugucken. Der Zaun, den ich wollte, hätte so viel gekostet wie anderer Leute Eigentumswohnung: ein getischlerter weißer Holzzaun mit dicken quadratischen Pfosten. Ein Zaun wie aus einer Astrid Lindgren-Verfilmung. So ist das leider: obwohl ich mir immer einbilde, kein Snob zu sein, zeige ich auf einer Seite voller Handtaschen, Schuhe oder auch auf der Speisekarte meistens auf das, was am teuersten ist. Sollte man nicht meinen, wenn man mich so in meiner Jogginghose und meinen drei Jahre alten vergilbten Ballerinas die Straße entlangschluffen sieht, ist aber trotzdem so. Also sind wir zu Obi gefahren und haben da einen Holzzaun in ca. 800 Einzelteilen gekauft. Der hat dann immer noch fast 2000 Euro gekostet, so riesig ist der Garten nämlich, ich hab nicht gelogen! Die folgenden drei Monate haben wir uns jede freie Minute damit versaut, den Zaun aufzubauen. So wichtig unsere enge Freundschaft auch für L.s und meine Beziehung ist, beim Aufbauen von IKEA oder sogar Zäunen endet sie. Ich bilde mir ein, wir sind nur deshalb an einer Scheidung vorbeigeschrammt, weil ich so dickfellig und gutmütig bin. Und handwerklich geschickt natürlich! Klar. Jetzt steht der Zaun schon eine ganze Weile, und Lili respektiert ihn auch im großen und ganzen. (Man muss nur ein Wurstscheibchen in die Hand nehmen und den Arm so hoch strecken, wie es geht, und dann noch auf einen Stuhl steigen, dann sieht man ganz klar, dass ein 1,20 hoher Holzzaun eigentlich eher sowas wie ein optischer Raumtrenner für sie ist.) Wir haben sie also öfter mal einfach in den Garten gelassen - nicht statt Spaziergang, sondern außerdem. Wir sitzen also mit Freunden im Wintergarten und reden, und der Hund bewundert meine Hortensien.

Und dann ist sie weg.

Das vorletzte Mal, als das passiert ist, war sie an einem Tag weg, an dem L. zum Fußball war. Ich hab den Garten durchsucht, es hat eine ganze Weile gedauert. Dann das Haus, den Keller, alles. Sie war weg. Dann bin ich (in Jogginghosen, Ballerinazombies und mit irrem Blick) zwei Stunden lang überallhin in der Umgebung gelaufen, wo sie hätte sein können. Sie war und blieb weg. Ich hab ihren Namen gebrüllt, bis ich heiser war. Im Ofen war ein Kuchen, den ich nach zehn Minuten abgedreht hatte und der mit Sicherheit jetzt nichts mehr werden würde, nachdem ich fast eine Stunde in der Küche gestanden hatte. Ich bin durch die Straßen gelaufen, vorbei an Gärten, in denen mitleidige Nachbarn den Rasen sprengten oder ihre Hortensien bewunderten, und keiner hatte sie gesehen. Nach zwei Stunden, in denen ein grauenvoller Film immer wieder in meinem Kopf abgelaufen war, kam ich zurück in meinen Garten und hatte eine rettende Idee:

"Lili! Laut!"

Das gute Tier. Kein Wunder, dass wir sie manchmal Kommissar Lili nennen. "WUFF!" Gar nicht so weit weg. Genauer gesagt im Garten einer Frau, deren Grundstück an eins grenzt, das an unseres grenzt. Mit einem Puls von 180 rannte ich um den Block. Niemand schien zuhause zu sein, aber die Gartentür war offen. Und im Garten war Lili und bewunderte die Kaninchen in ihrem Käfig. Ganz friedlich, kein Blutbad (auch wenn ich nicht dafür die Hand ins Feuer legen wollen würde, was ohne Käfig passiert wäre) und froh, mich zu sehen. Also habe ich ihre Leine ins Halsband gehakt und wollte los. Aber da zeigte sich plötzlich doch noch eine Frau in der Haustür.
"Sie wollten jetzt einfach so gehen, oder?"
"Oh, Hallo. Wir sind Nachbarn. Tut mir leid, mein Hund war in ihrem Garten."
"Das weiß ich. Seit zwei Stunden. Die hat mit Sicherheit einen Haufen gemacht."
"Äh... ich hab keinen gesehen, aber ich kann noch mal nachsehen."
"Sie wollten jetzt einfach so abhauen."
"Abhauen würde ich das nicht nennen... ich hab meinen Hund geholt, und jetzt wollte ich mit ihm nach Hause gehen. Wieso haben sie denn nicht aufgemacht, als ich geklingelt habe?"
"Die Kaninchen leben aber noch?"
"Ja, die leben noch. Sagen Sie mal... jetzt laufe ich hier seit zwei Stunden halb irre vor Angst durch das Viertel und brülle den Namen meines Hundes. An Ihrem Haus bin ich ungefähr achtmal vorbeigekommen. Wenn Sie sich seit zwei Stunden über den Hund aufregen, hätten Sie doch auch mal den Kopf zum Fenster rausstecken und mir Bescheid sagen können, oder?"
"Unverschämtheit. Der Hund ist jetzt seit zwei Stunden in meinem Garten."

So kommen wir nicht weiter.

Aber gerade gab es trotzdem einen Durchbruch: Lili war draußen und fühlte sich zu Unrecht unbeobachtet. Ich hab auf der Lauer gelegen. Im Schutz der Hortensien bin ich ihr hinterhergeschlichen. Und jetzt steht fest: sie benutzt L.s Schutzwall gegen ausbrechende Hunde, um über den Zaun zu klettern.

Das war's, Mäuschen. Auch ich finde, dass "Shawshank Redemption" ein großartiger Film ist, aber nu ist Schluss.

1 Kommentar:

  1. Alternative 1:
    Ein höherer Zaun
    Alternaive 2:
    Selbst Kanninchen anschaffen, somit die eigene Attraktivität erhöhen, Hortensien und tränendes Herz reißen es nicht raus ;-)

    Und bei uns war es umgekehrt, Nachbars Kanninchen bei uns im Garten, Radieschen fressen... ach und mein Hunde Opa (damals 13 Jahre) guckte seelenruhig zu.... wollte wohl das Gemeztel der Katze überlassen ....

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