Donnerstag, 9. Februar 2012

Tag 0.

Ich warte die ganze Zeit auf den großen Schlag in die Magengrube. Irgendwie kommt er nicht. Bin ich schon so bekloppt nach vier Versuchen plus Kryos, dass ich inzwischen nicht mehr merke, wie schlecht es mir geht? Oder geht es mir eben einfach nicht so schlecht?
Der Moment, als ich im Aufwachraum lag und mir die Sprechstundentante erzählt hat, dass es jetzt doch nur eine Zelle ist, und das Gespräch mit dem Arzt zehn Minuten später, bei dem ich dann erfahren habe, warum, war schlimmer. Irgendwie bin ich jetzt schon beim nächsten Versuch. Die Frage ist nur, wann? Bisher hab ich immer noch nicht meine Tage, und dieses blöde Rumoren ist komplett wieder verschwunden. Ich habe meinen kleinen schwarzen Kalender jetzt schon zehn Mal vorgenommen und durchgezählt, und es bleibt dabei: sollte ich morgen oder übermorgen meine Tage bekommen und wir Montag mit den Spritzen anfangen, dann ist L. von Tag 11 bis Tag 14 dieses Zyklus nicht hier, sondern in Wien, ein bisschen zu weit weg für eine kleine Stippvisite ins Herrenzimmer meiner Klinik. Das wird nix. Nächsten Monat dagegen lauert irgendwann die Möglichkeit, eine alte Freundin zu treffen, die für ein Wochenende ihren Mann in Kopenhagen besucht, das sind von Hamburg aus 30 Minuten im Flugzeug, da könnte ich... stopp. Genau das ist es doch, was ich bis zum Sommer lassen wollte. Entweder, ich habe dann Zeit und fliege, oder nicht, dann bleibe ich hier. Die sicherlich unmittelbar bevorstehende Erfüllung meines Kinderwunschs geht vor!

Damit zur Trostliste.
1. Ich will wieder in mein altes Fitnessstudio eintreten, das Meridian. Im letzten Jahr habe ich Probetage in jedem anderen Hamburger Studio außer den ganz miesen Muckibuden gemacht. Gegen mein altes Studio - frische Blumen, dunkles Holz, Wohlgerüche, schöne Sauna, alle fünf Minuten ein Yoga- oder Pilates-Kurs, Schwimmbad - konnten die alle nicht anduften, obwohl sie auch nur zehn Euro weniger im Monat kosten. Wäre ich jetzt schwanger gewesen, hätte ich erst mal abgewartet, wie sich das entwickelt hätte und ob ich nicht mit strammen Spaziergängen mit dem Tier schon mehr als genug in Bewegung bin. (Wir erinnern uns: beim letzten Mal durfte ich wochenlang liegen. Und zwar nicht in der Sauna.) Bis Ende Februar läuft außerdem noch eine Aktion, bei der ich nur einen Miniteil der Aufnahmegebühr zahlen müsste. Worauf warte ich noch? (So viel Tatendrang, und jetzt kommen meine Eltern. Vermutlich ist zumindest mein Vater schon bis zum Bersten gefüllt mit Ratschlägen zum Thema Leihmütter aus Russland, indische Gebärdörfer, amerikanische Surrogates und tschechische Superkliniken sowie zu den Gefahren einer Adoption. Abkürzungsschutzpatron, gib mir die Kraft, meinen alten Herrn nicht anzuschreien wie ein Fischweib.)
2. Um in dieses Studio zu kommen, kaufe ich mir ein Auto. Ich wohne kurz vor Ende der Ubahnverbindung, wir haben einen Hund, während großer Teile des Jahres soll ich nicht schwer schleppen und wir haben unbegrenzten Parkplatz vor dem Haus, eine einfache Taxifahrt von irgendeinem Ort in dieser Stadt, der nach 20 Uhr eine Rolle für mich spielen könnte, kostet 26 Euro ohne Trinkgeld, es ist eigentlich bescheuert und nicht zu verstehen, dass ich nicht längst eins habe. Nach jahrelangen Träumereien über Mobile-Anzeigen von 25 Jahre alten R4s, Enten und MGs bin ich inzwischen dazu gekommen, dass ein Auto nicht unbedingt Spiegel meiner Persönlichkeit und individuelle Ausdrucksform sein muss, sondern mich möglichst billig und umweltfreundlich hin und her fahren soll. Deshalb wird es vermutlich ein oller Twingo mit nicht mehr als 120.000 Kilometern und neuem TÜV. Wenn er tausend Euro kostet und zwei Jahre übersteht, ist doch alles gut. Ein Auto! Mein erstes seit zehn Jahren! Ich fänds gut.
3. In unserem Schrankzimmer steht seit zwei Wochen ein X-Trainer, den L. bei ebay geschossen hat. Jeden Abend verschwindet er da hin, um mit ohrenbetäubender Lautstärke (um das Quietschen zu übertönen) eine Folge Law & Order zu gucken und dazu zu trainieren. Seit heute morgen mach ich das auch. Jetzt ist mal Schluss mit Röllchen, Beulchen und Wülsten. Und es fühlt sich gut an, mal wieder was für mich zu tun.
4. Sollten die Mädchen es schaffen, sich für August auf ein Reiseziel zu einigen, an dem wir zehn Tage um einen Pool herumlungern und Bücher lesen und uns leerquatschen können wie in der Telekom-Werbung von vor drei Jahren, dann besteht jetzt tatsächlich die Chance, dass ich dabeisein kann. Denn wenn wir diesen Monat auslassen und der März unser Glücksbefruchtungsmonat wird, dann wäre ich Anfang August noch transportfähig. Ein Flugzeug mit mir an Bord könnte tatsächlich abheben! Ich würde mich jeden Abend um zehn ins Bett verziehen, aber das war unter Prosecco auch gerne mal so. Wie herrlich das wäre! Ich würde jeden Tag brav meine Schwangerschaftsgymnastik im lauwarmen Wasser machen, den Mädchen neidisch auf ihre Rohmilchkäsetoasts starren und noch mal zehn Tage absolutes und geräuschfreies Nichtstun genießen.

Und jetzt gehe ich noch mal an den Kühlschrank und probiere die fünf Sorten verbotenen Käse, die ich gestern bei Schlemmermaier für ein halbes Monatsgehalt gekauft habe.

6 Kommentare:

  1. Liebe Flora,
    das ist die einzigst richtige Einstellung. Nach dem Versuch ist vor dem Versuch. Lass dir nicht einreden, dass es dir schlecht gehen muss. Think Pink! Wenn es dieses Mal nicht gelappt hat, dann halt das nächste Mal. Oder das übernächste Mal. Who cares? Hauptsache der Bub ist gesund, nicht wahr ;-)
    Fühl dich gedrückt!
    LG Frau M.

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  2. Liebe Flora,

    wie immer bewundere ich Deine Leichtigkeit ,Neues nach einem solchen Tiefschlag anzugehen! Auch wenn es vielleicht nur aus lauter Verzweiflung und Schiss vor dem sonst lauernden tiefen Loch geschieht,braucht auch das Kraft.

    Kann es eigenlich sein ,dass die Blutdinger vertauscht wurden oder sonst ein Killefitt damit passiert ist? I
    Sind ja auch nur Menschen, die Labordamen.

    Sorry,aber ich kann und will es irgendwie immer noch nicht recht glauben..:-/

    Ich denke an Dich!

    die Claudi

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  3. Liebe Flora,

    alles gut so. Das denke ich auch immer nach so einem negativ, jetzt müsste es kommen... Kommt aber nicht mehr so doll wie am Anfang.
    Alles Gute

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  4. Jawoll....Tolle Strategie!!!!

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  5. Hab hier vorsichtig reingelinst und dachte, jetzt ist vielleicht erstmal Funkstille und bin ganz erleichtert, dass Du Dich schon wieder so gut anhörst. Sehr gut. Weiter so. Was soll´s Du auch zurückblicken? Lass es Dir gutgehen !!
    Der einzige Grund, der mir einfällt, wäre die Wut, die ich immer noch auf die Ärzte wegen der seltsamen Stimulation habe..Ich hoffe, da gibt´s ne Aufarbeitung.
    Ich zieh den Hut vor Dir Flora und erst recht vor den Damen, die auch nach 13 Versuchen nicht aufgeben.
    Gibt´s vielleicht auch Damen, die mit 41 und älter noch Erfolg hatten? Es tut gut zu wissen, dass man mit den Erfahrungen dieser Irrsinnsachterbahnfahrt nicht allein ist. Alles Liebe, Y.

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    1. 43, Sohn (7 Versuch, 1 EZ)
      41, Sohn (2. ICSI-Kind)
      43, Sohn (1.Versuch!)
      44, Tochter (2.Versuch)
      46, Töchterzwillinge (3.Versuch) --> alle ICSI
      41, Zwillinge (EZS, 1.Versuch)

      Good luck!

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