Montag, 5. Juli 2010

Kirmes in Sibirien

L. hat Freunde zum Essen eingeladen, die kommen morgen Abend. "Ich habe gesagt, wir die Getränke, ihr das Fleisch zum Grillen. Und wir machen nichts Großes. Aber dein Ehrgeiz* wird dich bestimmt packen, hmmm?"

Ja, genau, Schnuckelpups. Wie du mich so kennst, geht es nun nicht unter zwei Salaten, einer Beilage und einem Nachtisch ab. Das heißt, ich werde morgen anderthalb Stunden einkaufen, anderthalb Stunden in der Küche stehen (mindestens) und hinterher eine Stunde wieder aufräumen. Macht zusammen dreieinhalb Stunden. Dreieinhalb Stunden, in denen ich nicht arbeiten kann. Morgens um zehn bin ich zur Akupunktur. Da werde ich zehn Minuten warten und dann dreißig Minuten Nadelkissen spielen. Dazu kommt ein Hinweg von 40 Minuten und ein Rückweg von 40 Minuten. Auch das macht zwei Stunden. Nun sind es schon fünfeinhalb Stunden, in denen ich morgen nicht arbeiten kann. Und dann kommt der Besuch und bleibt hoffentlich lange, denn ich mag den Besuch sehr und freue mich auch schon, dass er kommt. Aber eigentlich war ich doch verknackt zu vier Wochen Arbeitslager - nein?

Dann ist das noch der Hund. Unser fröhliches Hundekind! Airedales sind eine Rasse, die viel Bewegung und Anregung braucht. Es ist nicht zu fassen, wie viel Energie in diesem schlaksigen Teddy steckt! Man müsste im Grunde stundenlang mit ihr durch den Wald rennen. Im Moment gehe ich erst mal auf Verdacht durch die Kleingartensiedlung, wo sie ständig in den Bach rein- und wieder rausspringen kann und dabei nicht Gefahr läuft, unter ein Auto zu rennen, und hoffe, dass wir einen Hund treffen, der lieber spielt, als einen angenagten Gummiball so stolz durch die Gegend zu tragen wie andere eine It-Bag. (Ganz zu schweigen von Hunden, die sich sowieso für alles zu fein sind. Püh!) Wenn wir so einen spielenden Hund treffen, und das auf beiden Spaziergängen, dann kann ich sie morgen schon mit anderthalb Stunden Gassi glücklich machen. Wenn nicht, habe ich trotzdem nur anderthalb Stunden für sie und damit ein schlechtes Gewissen. Merkt ihr was? Das sind nun schon sieben Stunden, in denen ich morgen nicht arbeiten kann. Und Abends wird gegrillt, juchhu, Feierabend!

Man könnte wahnsinnig werden.

Also gut. Ein Salat. Zum Nachtisch Eis. Und zwar gekauftes, meinetwegen mit heißen Himbeeren. Und als Beilage Baguette und ein paar ölige Schweinereien vom Türken. Das beschließe ich hiermit, und wenn ich morgen aufwache, dann steht dieser Entschluss hoffentlich noch.

Gut. Morgen wird ein Tag des Kampfes: ein Meter Kochbücher, aus denen überall Post-Its quellen, die Rezepte markieren, die ich schon immer unbedingt mal machen wollte an dem Sommerabend, an dem uns nette Leute besuchen kommen. Dagegen ein Laptop mit unnachahmlich vorwurfsvollem Blick. Koch-Ehrgeiz gegen Buch-Ehrgeiz. Und am Ende KANN ich nur mit schlechtem Gewissen einschlafen bzw. nicht einschlafen.

Na, wie haben wir das gemacht, L., meine Klatsche und ich?


*"Ehrgeiz" ist übrigens das falsche Wort in dem Zusammenhang. Es ist eher so, als hätte L. spontan entschieden, für morgen zwei niedliche Reitponys zu mieten, auf denen wir den ganzen Tag Spaß haben können. Oder als hätte er für Morgen als Überraschung eine Ruderpartie mit Picknick geplant. Mit anderen Worten, über Essen zu phantasieren, Einkaufszettel zu schreiben, Essen zu kaufen und dann zu kochen macht mir Spaß (ganz zu schweigen davon, es mit Besuch zusammen zu essen.) Aber genau die Sorte Spaß sollte man gerade von mir fernhalten wie den Schlüssel zum Weinkeller vom Alkoholiker.

1 Kommentar:

  1. Liebe Flora,

    schön, dass ich nicht die Einzige bin, die sich in eleganter sowie professioneller Prokrastination übt. Aber ein klitzekleines Bißchen beneide ich Dich... Der Titel meines Masterpiece zum Examen beinhaltet Worte wie "besondere Heterogenität" und "Binnendifferenzierung" - 40 Seiten, die die Welt leider weder brauchen noch verändern wird - so mein dringender Verdacht. Und Du darfst an einem Buch mitwirken, das vielen, vielen Frauen Mut machen und sie zum Lachen bringen wird! So wie es Dein blog schon getan hat und tut... Wie schön.
    p.s. Viel Spaß beim Grillen!

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