Samstag, 1. Mai 2010

Eskapismus für Einsteiger

Das Baby. Das Buch. Das Haus. Der Hund. Der Job. Man sollte meinen, es reicht. Aber ich fand in den letzten Tagen, es tut sogar mehr als nur reichen: es ist nämlich ein bisschen viel. Deshalb wird jetzt eine Woche gefastet.

Ich hab das schon mal gemacht, und es war ganz toll. Ich war danach wochenlang glücklicher, habe mich großartig gefühlt, habe fünf Kilo abgenommen, die auch eine ganze Weile weggeblieben sind, habe monatelang nicht mehr geraucht, das Essen schmeckte hinterher besser...

Und dann bin ich wohl ein bisschen übermütig geworden und dachte mir, wenn das so toll klappt bei mir, dann kann ich ja auch arbeiten währenddessen und muss dafür keine Urlaubswoche opfern. Das wurde dann ein Albtraum. Ich schleppte mich durch vollgepackte Tage, mit weichen Knien und Sternchen vor den Augen, ich war reizbar wie eine Rehpinscher und für niemanden einschließlich mich selbst zu ertragen. Alle paar Minuten hielt mir jemand etwas zu essen unter die Nase, ich hab schon überlegt, mir ein T-Shirt mit der Aufschrift "Nein Danke" oder wahlweise auch "Schieb dir deinen Kuchen sonstwohin, Schatzi" drucken zu lassen, um mir die ständigen Erklärungen zu ersparen. Damals habe ich vor mir und allen Mädchen geschworen, das nie wieder zu tun. Aber jetzt ist anders. Erstens musste ich diese Woche jobbedingt 48 Stunden in einem Fast Food-Restaurant verbringen, das Essen war umsonst. Muss ich wohl weiter nichts zu sagen. Zweitens wiege ich im Moment 67,4 Kilo. Drittens hatte ich schon lange nicht mehr ständig solche Kopfschmerzen, zwar sind sie nur ein Hintergrundgeräusch, aber sie sind da. Weißes Rauschen hinter meinen Ohren und im Nacken. Und viertens habe ich jetzt eine Woche, in der ich höchstens sporadisch und von der Couch aus an meinen eigenen Arbeiten aus den letzten Wochen rumdoktorn muss, mein Auftraggeber ist im Urlaub, und wenn ich das jetzt nicht tue, dann steht schon wieder eine Geburtstagsfeier und der Besuch der Damen aus meiner Familie vor der Tür.

Also. Der Tag begann heute um halb acht damit, dass ich 300 ml lauwarmes Wasser verquirlt mit 6 Teelöffeln FX Passage-Salz ächzend und stöhnend in mich reingewürgt habe. (Letztes Mal habe ich alles sofort im hohen Bogen wieder ausgespuckt, da habe ich mich erst ganz kurz sehr befreit gefühlt, bis mir klar wurde, dass das bedeutet, jetzt alles noch mal zu trinken.) Jetzt sitze ich auf dem Sofa und weiß, in acht großen Sätzen kann ich es aufs Klo schaffen. Und hoffentlich geht es bald los, denn um halb zwölf müssen L. und ich mit Lili zur Hundeschule, die sich inmitten eines großen, klofreien Waldes befindet, der aber wiederum nicht so dicht bewachsen ist, dass man sich einfach hinter einen Baum hocken könnte.

Und bis dahin gibt es keinen Earl Grey mit Milch und schon gar keine Frühstückseier oder Käsetoasts, sondern ungesüßten Kräutertee. Eine Menge davon. Die nächste feste Nahrung erwartet mich am Donnerstag Morgen, ein niedlicher kleiner Bio-Apfel wird das wohl sein.

Ihr denkt, ich bin bekloppt. Ein bisschen denke ich das auch. Aber wenn ich so an die letzten Wochen denke, dann hab ich schon das Gefühl, ich habe einige Maßstäbe ein bisschen aus den Augen verloren. Allein eine Tüte Backofenpommes? Mit einem halben Glas Mayo? Vor dem Fernseher? Oder auch wahlweise 800 Gramm Spareribs? Und hinterher noch Eis? Irgendwie... nein.

Im Fastenbuch sind sie auch nicht doof, sie wissen schon, dass der Großteil ihrer Leser zwar sicherlich AUCH ein bisschen den Körper reinigen und den Kopf frei bekommen will, dass wir alle vorhaben, an unseren Lebensgewohnheiten zu arbeiten, aber dass wir im Grunde eine Bande ambitionierter Dickerchen sind, die es lieber schnell hinter sich bringen, als wochenlang zu diäten. Wir essen gern und sind gerne nett zu uns, uns muss man also ein spaßfreies Leben ein bisschen schönreden. Darum steht in diesem Buch nicht, man sollte eine Tasse Kräutertee TRINKEN, sondern da steht, man sollte sich eine Tasse Kräutertee GÖNNEN oder sich mit einer Tasse Kräutertee VERWÖHNEN. Und das mir, wo Verwöhnen bei mir normalerweise eine Familienportion Risotto bedeutet. Aber gut, jetzt ist das Abführsalz im Bauch, die Dinge gehen ihren Gang, und ich gebe mich getrost in die Hände meines Stoffwechsels, der sicherlich nicht nur mit den bösen bösen Schlacken aufräumen wird, sondern auch mit der ewigen Gedankensabotage.

2 Kommentare:

  1. Liebe Flora,

    Fasten ist wirklich eine gute Idee!
    Ich hab letztes jahr im Juli für 10 gefastet und fand es ganz wunderbar. Okay, der Anfang ist echt furchtbar. Allein der Gedanke läßt mich schaudern, aber nach ein paar Tagen fühlt man sicht doch schon sehr befreit und gereinigt.
    All der Ballast der letzten Zeit fällt ab, herrliches Gefühl!

    Ich wünsch Dir viel Ruhe und positive Ergebnisse, liebe Grüße A.

    P.S. Kleiner Tipp: Verdünnten Fruchtaft einfrieren und als Eis vernaschen!!! Hilft bei Süßjapp garantiert...

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  2. ...wie wunderbar...

    Flora,

    Dein Blog, auf den ich heute gestossen bin, weil ich mal wieder (!) Herrn Google mit solch üblichen Verdächtigen wie wahlweise Endometriose....Kinderwunsch (unerfüllt natürlich)...Estrifam o.ä. bemüht habe (ich sollte es doch langsam besser wissen... als ob man vom googeln allein schwanger würde...), hat mich herrlich abgelenkt von den Untiefen meiner kleinen Frustration, die sich heute mal wieder Bahn gebrochen hatte. Vieles spricht mir aus der Seele, läßt mich mich wieder erkennen und tut einfach gut.
    Danke....
    Antje.

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