Samstag, 5. September 2009

"Und wie war das in Italien, habt ihr viel an das Baby denken müssen?"

Nein, an das Baby wenig. Ich habe viel an meinen blöden Bauch gedacht, der sich immer wieder mit komischem Zwicken und auch ein bisschen Blut in den Vordergrund gedrängelt hat. Ich weiß auch nicht, wieso, aber ich vergesse zwischen zwei Operationen immer wieder, wie lange das bei mir dauert, bis wirklich alles verheilt ist. Unmittelbar davor denke ich dann, ich bin ein Stehaufmännchen und mich haut nichts um, und dann gerate ich langsam in Panik, wenn eine Woche nach der OP (oder zwei oder drei) immer noch nicht alles wieder gut ist. Dienstag habe ich endlich meine Kontrolle und hoffe inständig, dass die Ärztin nichts zu meckern hat und mir freie Bahn gibt für Sex und Sport. Jedenfalls, das Baby war zwar nicht durchgängig dabei, aber der Bauch schon. Der Bauch ist mit mir auf wackligen Knien durch Rom gelaufen, hatte sich in Perugia schon wieder ein bisschen gefangen, hatte in Siena einen kleinen Rückfall und war in Venedig schon kaum noch ein Thema. Außer, wenn er doch ein Thema war. Grrrrrr.

Das Baby – was soll ich sagen? Ich habe einsehen müssen, dass ich manche Dinge unter Kontrolle habe und andere nicht. Ich konnte nicht viel dagegen tun, dass ich in den letzten zwei Wochen ein bisschen passiver und dünnhäutiger war als sonst. Das war eben so, und auch L. musste das erst verstehen. Plötzlich nehme ich Sachen krumm, über die ich sonst gelacht hätte, und statt fleißig mitzuplanen, was wir unternehmen, gucke ich Löcher in die Luft und laufe L. hinterher, wird schon gut sein. So kenne ich mich sonst nicht, aber so bleibe ich ja auch hoffentlich nicht. Davon abgesehen war Italien zu schön, um zu traurig zu sein. Ich glaube nicht, dass damit die traurige Geschichte um das Würmchen schon ratzeputz ausgestanden und verdaut ist. Aber es ging besser, als ich dachte, und wir haben den Teufel getan und uns in den schönen Momenten gegenseitig daran erinnert, was für arme Söcke wir sind. Ich habe übrigens weiter das Glück, von blöden „Warum ich?“-Gedanken verschont zu bleiben, Kinder haben mir nichts ausgemacht, und Schwangere auch nicht. Es gab ein paar Tiefpunkte, aber die waren nur das, Punkte. Wie eine kalte Stelle im warmen Mittelmeer. Und ich glaube immer noch ganz fest, dass wir das schaffen, so lange wir nicht aufgeben. Das war erst der zweite Versuch. Dass ich überhaupt beim zweiten Versuch schwanger geworden bin, hätte ich nie erwartet, und ich bin mir sicher, dass es ein gutes Zeichen war. Jetzt kommen der dritte, vierte und fünfte Versuch.

Und dann ist da noch der kleine Trost, dass das Würmchen noch nicht mehr war als eine Phantasie. Natürlich haben wir einen Herzschlag gesehen, aber das war immer noch nicht richtig wahr. Und damit hatten wir noch gar kein richtiges Kind zu betrauern, sondern eine Schwangerschaft. Manchmal, an den kalten Stellen, habe ich nicht daran gedacht, wie fabelhaft L. sich mit so einem Babytragedings machen würde, sondern ich hab daran gedacht, wie schön es gewesen wäre, unser erstes geplantes Weihnachten zu zweit mit einer Babykugel zu erleben. Draußen Schnee, drinnen der Weihnachtsbaumgeruch, und Flora kriegt die Strickjacke nicht mehr zu und sieht aus wie der Nikolaus. Oder ich habe daran gedacht, wie es mitten in der Nacht losgeht und wir in die Klinik rasen. Oder daran, wie der Ultraschall immer mehr aussieht wie ein Mensch und immer weniger wie ein Würmchen. Aber danach ist noch alles vor meinem Auge verschwommen und war noch nicht richtig greifbar.

Jetzt also der nächste Versuch. Und neben der großen Hoffnung, dass wir diesmal die drei-Monats-Grenze mit einem Lächeln passieren, habe ich die zweite große Hoffnung, dass mir diese Fehlgeburt nicht das Vertrauen genommen hat, dass es klappt. Dass ich keine Klatsche mitbekommen habe und auch in Zukunft noch nicht bei jedem Luftbläschen oder Zwicken denke, das wars. Dass ich mich entspannen kann und es genieße und mir nicht jedes Fünkchen Vorfreude verbiete aus Sorge, es könnte wieder für die Katz gewesen sein.

1 Kommentar:

  1. Liebe Flora, schön dass Du wieder da bist - lass uns "gemeinsam" den 3. Versuch starten! Viele Grüße Wuzal

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