Samstag, 5. September 2009

Folsäuredose vs. Puderdose: 0:1

Es gibt Dinge, die kann ich einfach nicht zu Ende benutzen. Vorher verliere ich sie, oder sie gehen kaputt, oder ich mag sie nicht mehr. Ich habe es noch nie geschafft, einen Radiergummi bis zum letzten Krümel aufzubrauchen. Shampoo ist auch so etwas. Bis auf mein Lieblingsshampoo kaufe ich immer wieder andere Sorten, weil sie so lecker nach Rosmarin oder sonstwas riechen, und wasche mir damit die Haare, und dann sehen meine Haare doof aus oder werden nicht richtig quietschsauber, und dann steht dieses Shampoo da auf dem Badewannenrand herum und nimmt Platz weg und macht mir Vorwürfe, wenn ich an ihm vorbeigreife und mein Lieblingsshampoo benutze. Schon wieder sitzengelassen. Armes Mauerblümchenshampoo, aber warum kannst du auch meine Haare nicht schöner waschen?
Kompaktpuder ist auch so ein Ding. Ich will es nicht beschwören, aber im Moment bin ich zum ersten Mal in 20 Jahren Pudergeschichte so weit, dass auf dem Boden meines Puders eine große Fläche freigelegt ist. Der Puder bildet nur noch einen Ring um diese Fläche. Das gab es noch nie. Bisher ist immer eins von zwei Dingen passiert: entweder, die Dose fällt mir vor dem Spiegel runter (am liebsten in einem wirklich ekligen Waschraum, z.B. auf einer Zugtoilette oder morgens um vier in einem völlig verwanzten Club) und der Puder zerbricht in tausend Stücke, die sich über den ganzen vollgepinkelten Boden verteilen und nicht mehr zu gebrauchen sind. Oder, ich öffne meine Handtasche, und die Dose ist unbemerkt aufgegangen, und nun hat sich der komplette Puder gleichmäßig über meine Schlüssel, mein Portemonnaie und bis in die kleinsten Ritzen meines Handys verteilt, und die Dose ist leer. In so einem Fall könnte ich natürlich noch mit dem Handy über meine Nase fahren, aber auf die Dauer... nein.
Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, wie befriedigend das sein wird, den wirklich letzten Rest des Puders aus der Dose zu kratzen und die Dose wegzuwerfen, endlich mal auf dem ganz normalen, friedlichen Weg leer geworden. Vielleicht werfe ich sie auch gar nicht weg, sondern hebe sie auf, es ist schließlich nicht zu erwarten, dass ich das ein zweites Mal in diesem Leben schaffe. „Großmama, Großmama, dürfen wir die leere Puderdose sehen?“
„Aber ja, ihr Lieben, ich muss nur erst den Schlüssel für die Vitrine finden.“

Inzwischen hat sich herausgestellt, dass Folsäure zur ernsten Konkurrenz für Puder wird. Seitdem ich letzten Sommer meine erste Dose Folio gekauft habe, damals noch im vollen Gefühl, nun bestimmt einfach schwanger zu werden, habe ich keine einzige Dose bis zum Ende aufbrauchen können. Vielleicht sind meine Hände unruhiger. Vielleicht verreisen ich und meine Folsäuredose auch häufiger als andere Leute. Oder die Folsäuremänner haben die Dose am Tag nach der Betriebsweihnachtsfeier entworfen. Ich weiß es nicht. Aber jedes Mal kommt der Moment, wo ich meinen Waschbeutel öffne und dort die leere Dose ohne Boden finde, und drumherum liegen all die kleinen zartorangefarbenen Pillchen, gleichmäßig überzogen mit dem gleichzeitig ausgelaufenen Locken-Conditioner. So auch diesmal, gestern Nachmittag nach dem Rückflug aus Venedig. In der Büchse waren nur noch 50 Pillchen, so weit war ich noch nie gekommen. Wir nähern uns. Vielleicht wird ja die Dose, die ich heute gekauft habe, die erste, die ich ratzeputz aufbrauchen kann und die sich einen Platz in der Leere-Puderdosen-Vitrine verdient.
Auf jeden Fall war der Moment, in dem ich heute diese Dose folio forte gekauft habe, der erste Moment seit dem Montag vor zweieinhalb Wochen, den ich nicht mehr als einen Moment nach der Fehlgeburt, sondern als einen Moment vor dem nächsten Versuch empfunden habe. Und das war schön. Die alte Dose habe ich kurz nach dem Schwangerschaftstest gekauft, und damals dachte ich noch, Mensch blöd, da sind ja so viele Tabletten drin, und ab dem vierten Monat muss ich doch auf normale Folsäure umsteigen, wohin dann mit dem Rest? Die kleine Büchse hätte eigentlich mit den Schwangerschaftsbüchern und dem anderen Kram in eine Kiste wandern sollen, aber das wäre mir übertrieben vorgekommen, und deshalb habe ich jedes Mal, wenn ich morgens mein Pillchen da rausgedrückt habe, ein bisschen daran gedacht. Wieder ein Problem, das sich von alleine gelöst hat.
Erster Schritt, wenn man in ein Abenteuer startet: die Ausrüstung auf Vordermann bringen.
Nagelneue Folsäure: Haken dran.

4 Kommentare:

  1. Jetzt wär ich aber mal neugierig, welches das Lieblingsshampoo ist ;-)

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  2. Urtekram Rassoul, ein dänisches Ökoshampoo, das aussieht und sich anfühlt wie Schlamm - klingt nicht sehr verlockend, ist aber für meine Haare perfekt und riecht so schön sauber nach Minze und Rosmarin. Kann ich nur empfehlen, genau wie die anderen Urtekrams, die mir übrigens KEIN Geld dafür bezahlen. :)

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  3. Sehr schönen Artikel den du hier geschrieben hast, ich wollte jetzt den RSS Feed von deinem Blog abonnieren aber leider finde ich diesen nicht.

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  4. Hallo Judit, den RSS-Feed kriegst du ganz einfach: du klickst am unteren Ende der Seite auf "Abonnieren" und kannst dann wählen, ob du per Mail oder wie auch immer neue Posts bekommen willst. Das müsste funktionieren. Allerdings in einem etwas hässlicheren Layout. Grüße und viel Spaß!

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