Mittwoch, 22. Juli 2009

Viel zu müde, um Angst zu haben

Heute ist der Tag. Gleich gehe ich duschen, dann ziehe ich mich an, packe letzten Kram und fahre mit L. in die Klinik. Und wenige Minuten später werden wir einen Herzschlag sehen. Oder zwei. Oder keinen. Ich weiß es nicht genau, aber es kann sein, dass wir noch ein paar Tage Gnadenfrist haben – falls sich keiner zeigt, zeigt er sich vielleicht schon nächste Woche doch noch. Aber besser wäre es, wir würden etwas sehen. Noch nicht mal zwei Monate alt, und schon die erste Chance, durch die Prüfung zu rasseln. Arme Würmchen. Aus Soli-Prüfungsangst habe ich die halbe Nacht keine Auge zugetan und bin ganz durchsichtig vor Müdigkeit.

Wenn der Termin überstanden ist, werde ich mir den traditionellen Belohnungscheeseburger um die Ecke holen (jaja, ich weiß, dass es dann noch nicht zehn Uhr ist), wir steigen in L.s dicke Kiste und fahren quer durchs Land zu meinen Eltern. Dort werden wir – mit oder ohne Herzschlag – drei Tage zwischen Wäldern, Schnitzeln und CDU-Wählern verbringen. Ob es zum Schnitzel wohl ein Malzbier gibt? Bestimmt, und zwar serviert von einer Kellnerin mit richtigen Kellnerinnen-Schuhen, die ihre Berufsehre verliert, wenn sie nicht von jedem in der Flasche servierten Getränk einen Schluck ins mitservierte Glas gießt.

Meine Eltern haben auch einen Computer. Er ist sehr alt, hat die Farbe von Landleberwurst und hat noch nie richtig funktioniert, und mein Vater hat ihn in einem kleinen jämmerlichen Lädchen in der Vorstadt gekauft. Vermutlich aus Mitleid. Dieses Mitleid hat ihn auch davon abgehalten, ihn zu reklamieren, als sich zeigte, dass man auf diesem Rechner jedes Mal zehn Minuten braucht, um ins Netz zu kommen, und dass man auf dem Weg dorthin an Steckern rütteln und mehrere zehnstellige Geheimzahlen eingeben muss. Meine einzige Erklärung dafür, wie die zwei das aushalten, ist die, dass sie es nie anders kennen gelernt haben. Der Farbenblinde vermisst keine Farben, und meine Eltern vermissen kein blitzschnelles WLAN. Für mich gilt das leider nicht, und deshalb kann ich nicht dafür garantieren, dass ich auch dort jeden Tag schreibe. Wo ich aber gerade sowieso so vieles hoffe, kann ich natürlich auch das ein bisschen mithoffen.

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