Montag, 20. Juli 2009

Goldene Regeln für den nächsten IVF-Zyklus, Teil 2

Erinnert sich noch jemand außer mir an den alten Werters-Echte-Spot, in dem der Opa sich daran erinnert, wie es früher war, und dann im Lehnstuhl sitzt und selbst einen Enkel hat? „Ja, nun bin ich der Großvater“.
So in etwa fühle ich mich, wenn ich an die Zeit mit IVF zurück denke. (Langsam, langsam, Großmutter, die Chancen stehen nicht schlecht, dass du in Nullkommanix wieder mit Spritzen spielst.)
Und was sonst würde ich jetzt aufschreiben als Teil zwei meiner Goldenen Regeln für IVF?

(Teil eins findet ihr hier:)

7. Du hast dich dafür entschieden, diesen Weg zu gehen. Das heißt nicht, dass diese Entscheidung unumstößlich ist. Aber wenn du sie einmal getroffen hast, solltest du sie von nichts anderem mehr beeinflussen lassen als davon, wie es dir und deinem Partner geht und dem, was ihr aus erster Hand erfahrt. In jedem Freundeskreis gibt es einen Schlaukopf, der die Schulmedizin für eine monströse Krake hält und der nicht müde werden wird, dich mit düsteren Warnungen und Andeutungen aus der Bahn zu werfen. Lass dich nicht zermürben von diesem Geheimwissen, das vermutlich doch nur ergoogeltes Hörensagen ist. Wenn deine Ärzte gut sind, haben sie dich vorher gründlich und erschöpfend über Chancen und Risiken aufgeklärt (und nein, die stecken NICHT alle unter einer Decke – zumal der Gesetzgeber vorsieht, dass Du zusätzlich bei einem Arzt informiert wirst, der nicht an deiner IVF-Behandlung verdient). Damit weißt du, was du wissen musst, um dich zu entscheiden, und das hast du getan.

8. Auch, wenn dir das banal erscheint, aber im Laufe von IVF wirst du neben den Medikamenten folgende Dinge brauchen: weiße Socken, einen Bademantel, in dem du dich auch vor Fremden nicht genierst, einen Arzt, der dir regelmäßig und prompt die Überweisungen zu deinem IVF-Arzt schreibt, ein finanzielles Polster von ca. 1200 Euro pro Versuch für Arztkosten und Medikamente, für die Zeit nach der Punktion einen Vorrat an Lebensmitteln, die du mit minimalem Aufwand zubereiten kannst, eine Telefonnummer, unter der du und nur du immer erreichbar bist, Eiweißpulver aus der Apotheke oder aus der Drogerie, und größere Mengen Fenchel-Anis-Kümmel-Teebeutel.

9. Du wirst in den nächsten Wochen und Monaten öfter mal auf der Arbeit fehlen. Zum Einen stehen diverse Arztbesuche an, und es ist ein eisernes Gesetz, dass du die Acht-Uhr-Termine nur dann bekommst, wenn du sie nicht brauchst. Dann wirst du nach der Punktion für ein paar Tage ausfallen, und wenn der Versuch erfolgreich war, kann es sein, dass dich bleierne Müdigkeit, Übelkeit oder Schmierblutungen für eine Weile ausknocken. Jeder Arbeitsplatz ist anders, aber an meinem war es gut, vorher anzukündigen, dass nun eine gesundheitlich holprige Zeit ansteht und es passieren kann, dass ich ab und zu ausfalle. Meine Begründung waren übrigens Zahnprobleme. Das ist etwas, das jeder versteht und nachvollziehen kann, das keinen Anlass zu irren Spekulationen gibt und bei dem sich gleichzeitig niemand unnötige Sorgen macht, dir würde etwas Ernsthaftes fehlen.

10. Ergibt sich direkt aus 9.: eigentlich bin ich sehr für Erzählen, mir hilft es sehr, dass alle meine Freunde und die Familie Bescheid wissen. Aber beim Job würde auch ich die klare Grenze ziehen. Denn natürlich ist es theoretisch so, dass dein Arbeitgeber damit rechnen muss, dass du als Frau irgendwann schwanger wirst, und dass das deine Karrierechancen nicht beeinflussen sollte. Aber wir alle wissen, dass das wirklich Leben anders aussieht. Und selbst, wenn du auf der Arbeit ein paar allerengste Buddies hast: du solltest dich beherrschen und es ihnen nicht erzählen. Denn zwischen „XY ist eine Frau und könnte daher schwanger werden“ und „XY gibt gerade tausende von Euros dafür aus und jagt sich täglich Hormonspritzen in den Bauch, um schwanger zu werden“ besteht für deinen Chef ein Riesenunterschied. Ich will hier nicht zu finster herumunken, aber ich weiß genau, was in meinem Job passiert wäre: Plötzlich würden sich andere mal „an meinem Kunden versuchen, die sollen es ja lernen“, plötzlich hätte ich nur noch Graubrot auf dem Tisch und die anderen die Törtchen, und plötzlich würde ich feststellen, dass ich zu Meetings, die noch vor Wochen nicht ohne mich stattgefunden hätten, nicht mehr eingeladen wäre. Das Problem von Kindern und Karriere muss jede Frau leider irgendwie bewältigen. Ja, das ist ungerecht und oft nicht einzusehen. Aber ich finde es noch viel schlimmer und zum Schreien unfair, wenn man die Kinder-und-Karriere-Probleme bekäme und im Gegenzug noch nicht mal sicher ein Kind bekommt. Ich wünsche euch, dass euch das erspart bleibt.

11. Du wirst in den nächsten Monaten viel, viel Geld ausgeben. Knauser nicht am falschen Ende: Leg noch ein bisschen was drauf für Reiserücktrittsversicherungen. Auf die paar Kröten kommt es nun wirklich nicht mehr an.

12. A propos Kröten: versuche, nicht auf die gedankliche Bahn zu geraten, dieses ganze IVF wäre „eine gewaltige Gelddruckmaschine“. Du solltest das versuchen im Interesse deiner eigenen guten Laune und Motivation. Wenn du deine erste Rechnung bekommst, dann sieh dir ruhig genau an, welche Posten da aufgeführt sind. Zum Teil sind das Materialkosten wie die Kosten für die Punktionsnadel. Das kostet so ein Ding nun mal. Ja, es ist nicht billig, aber das heißt noch lange nicht, dass deine Ärzte sich jeden Abend im Country Club über dich und die anderen Naivlinge ausschütten vor Lachen. Wenn du dir einmal in Ruhe überlegst, was du dafür bekommst – und damit meine ich nicht „ein Kind“, das wäre an dieser Stelle unfair und stimmt ja auch gar nicht immer – nein, sondern was du dafür in Arbeitsleistung und Aufwand und Betreuung bekommst, zum Teil sogar am Wochenende – und wenn du dann bedenkst, wie viel du dafür ausgibst, dass sich z.B. ein Friseur eine Viertelstunde mit deinen Haaren beschäftigt oder dich ein Taxifahrer zwanzig Minuten lang durch die Stadt fährt, dann relativiert sich das plötzlich ziemlich. Oder nicht?

13. Das hab ich an anderer Stelle schon gesagt, aber ich sage es noch mal: es ist gut für dich, wenn ein negativer Schwangerschaftstest nicht das Ende aller Fröhlichkeit in deinem Leben bedeutet. Und das kannst du unterstützen, indem du dir etwas Schönes vornimmst, das schwanger weniger Spaß macht als unschwanger. Buche einen aufregenden Urlaub, den du vier Wochen nach dem Test antreten willst (und siehe Punkt 11: Reiserücktrittsversicherung). Plane eine wilde Party oder melde dich zu einem schicken Sushi-Kurs, tollen Wein inklusive, an. Das wird nicht verhindern, dass du traurig oder frustriert bist, wenn es nicht klappt. Aber es ist ein schöner Trostpreis.

10 Kommentare:

  1. Ein schicker Sushi-Kurs ist ein "schöner Trostpreis" für eine negative Behandlungsrunde? Aha!
    Ich verstehe, worauf Du hinaus willst, aber das ist meiner Meinung nach doch sehr unglücklich formuliert.

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  2. Kann sein, dass das manche in den falschen Hals bekommt - es täte mir leid, wenn Ihr mich jetzt für unsensibel oder grobklotzig haltet - und nein, ich bin natürlich nicht der Meinung, dass man Sushi und einen gelungenen IVF-Zyklus gegeneinander aufwiegen kann. Aber ja, ich glaube tatsächlich, dass alles, was Du magst und was sich mit einer Schwangerschaft nicht verträgt, jetzt besonders geeignet sein kann als Trost. Vielleicht ja nicht bei jeder. Bestimmt gibt es manche da draußen, die jetzt erst mal gar nichts wollen, weder Trost noch Ablenkung noch sonstwas, sondern einfach nur in einem stillen Zimmer verarbeiten, was da gerade passiert ist oder eben leider nicht. Aber mir - und nur von mir kann ich wirklich schreiben - geht es eben anders. Nach meinem letzten Fehlversuch - der auch für mich bei allem Flachs hart war - kann ich nur sagen, ja, es hat mich tatsächlich auf eine Art aufgebaut, ein paar Tage später vor einem großen Teller mit dem besten Sushi weit und breit zu sitzen und dazu einen leckeren Wein zu trinken und zu denken "Guckt mich an, ich esse rohen Fisch, und niemand kann es mir übelnehmen". Für mich hat es genau so viel mit Trotz und Ach-pfeif-doch-drauf und dem Grüneren Gras auf der anderen Seite zu tun wie damit, dass ich einfach sehr gerne rohen Fisch esse, dass ein paar Maki mich dazu bringen können, den Kopf nicht ganz so tief hängen zu lassen. Es hat übrigens auch schon gewirkt in der Zeit vor IVF, als ich noch dachte "Juchhu, eine Woche überfällig" und noch nicht wusste, dass das gar nichts bedeuten kann. Damals war ein negativer Test nicht ganz so ein Drama, aber trotzdem traurig, und ich war auch damals schon froh, wenn ich wusste, was mir jetzt hilft.
    Also: ich bleibe dabei, Sushi tut gut. Aber ich freue mich über jeden Vorschlag, was sonst noch hilft.

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  3. Hallo Flora, klar ist Sushi ein schöner Trostpreis! Lass dir nix einreden, deine goldenen Regeln sind schon ganz richtig so. Ich persönlich fiebere einer Segway-Stadtrundfahrt durch Berlin entgegen, die man schwanger nicht machen darf, sollte mein wackliges Positiv sich noch in ein Negatv umwandeln...

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  4. Tolles Tagebuch, super geschrieben!
    ...und ich war zwischen meinen Behandlungen auch immer Sushi essen. Du hast recht, Dinge die man sonst nicht mehr gedurft hätte trösten dann ein wenig.
    Nun freue ich mich auf Dezember dann darf ich auch wieder und dass wird dann bestimmt das allerschönste Sushi was ich je hatte. ;o)

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  5. Hallo Flora,

    deine Regeln sind erste Sahne! Und man kann sie soch schön netten Menschen, die mit einem mithibbeln weitersagen, denn man kann ihnen ja nicht alles, was einem so vor geht erzählen.

    Was übrigens bei meinem letzten negativen Versuch gut geholfen hat war ein Tag richtig harter Arbeit im Garten (habe ganz allein einen Baum gefällt und auch die Wurzeln ausgegraben) und danach eine richtig heisse Badewanne und hinterher ein paar harte Cocktails. Hatte im übrigen auch den positiven Nebeneffekt, dass es meinen Mann sehr glücklich gemacht hat, dass er sich um den blöden Baum nicht kümmern musste und er sich dann sehr nett "revanchiert" hat.

    Was ich allerdings in 10 Tagen mache, falls ich wieder ein negativ bekomme weiss ich noch nicht, aber ich werde mir bestimmt was einfallen lassen.

    rosi

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  6. Es hat ja niemand behauptet, dass die Sushi-Schlemmerei (und bei mir übrigens das obligate Besäufnis sowie ein so gut wie rohes Steak) ein adäquater Ersatz für einen positiven Schwangerschaftstest ist. Es handelt sich wohlgemerkt um einen Trostpreis. Genauso wie beim Lotto, wenn man wenigstens den Wetteinsatz wieder einfährt - nur leckerer.

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  7. Super geschrieben: und man merkt wieder mal, dass man doch nicht allein ist. Ich lebe jetzt beim zweiten Kind schon fast zwei Jahre in der Warteschleife; damals hatte es bei der ersten IVF sofort geklappt - jetzt höre ich auf zu zählen...(das Geld sowieso nicht).
    Es macht kirre, auf jeden Fall - deshalb auch immer zwischendurch mal wieder richtig Gas geben: reiten gehen, Sushi, Sauna, Drinks; egal!
    Die Behandlung zieht einen körperlich schon so runter, dass ich die "Zwischenphasen" jetzt immer als Körper-Seele-Aufbau-Kur nehme.
    Denn das nächste Mal klappts bestimmt!

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  8. Super Blog:)) Ich wünsche ganz viel Erfolg dabei!!!

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  9. Habe als "Vorbereitung" auf meine erste ICSI dein Buch gekauft, da ich die panikmachenden Beiträge in den Foren leid hatte. Mich hat dein humorvoller Bericht sehr beruhigt und alles ist soweit auch gut verlaufen. Beim Aufwachen habe ich meinem Mann angeblich erzählt, dass ich unbedingt Sushi essen gehen will :-). Das Propofol habe ich so empfunden, als hätte ich einen dieser Knisterkaugummis meiner Kindheit im Kopf... Danke, dass ich auf dein Buch gestoßen bin!

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  10. Freizeitpark! Mein Trostpreis heißt Achterbahn... Wenn es nicht klappt möchte ich unbedingt mit meinem Mann in einen Freizeitpark.

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