Mittwoch, 17. Juni 2009

Blumen waren aus

Gestern hatte L. Geburtstag, und zur Feier des Tages durfte er alles bestimmen. Und weil er nicht zu mir gesagt hat „Los, alte Socke, setz Dich hin und schreib einen neuen Blogeintrag, aber zack-zack“ gab es gestern ausnahmsweise keinen Eintrag. Dafür will ich heute die Feierlichkeiten fortsetzen mit einem Eintrag zu Ehren von L.

Es ist ja nicht so, dass ich nicht auch Leute kennen würde, die manchmal das Falsche sagen oder fragen. Nicht meine Freunde, aber eben irgendwelche Leute. Und aus deren Mund kommen dann manchmal solche Sätze wie „tja, mit XY (Name eines Ex-Freundes einfügen) wäre es vielleicht noch gegangen, hmmm?“
Und die Antwort darauf muss immer lauten: 1. weiß ich nicht, keine Ahnung, wie lange ich schon empfängnisbehindert bin, und 2. nein, weil darum.

Dieses „darum“ besteht aus all den Gründen, wieso ein Kind mit L. toll wäre und mit den anderen eben nicht. (Übrigens nicht nur ein Kind, sondern auch so ziemlich alles andere.)

Da war z.B. N.
Müsste ich sagen, was an N. anders war als an L., dann würde ich morgen noch hier sitzen, deshalb will ich versuchen, mich auf die wichtigsten Unterschiede zu beschränken. Unter anderem hat L. verglichen mit N. folgende nervtötenden Eigenschaften nicht: Er ist nicht geizig, er ist nicht zerfressen von chronischem und unstillbarem Misstrauen, er hat nicht diese merkwürdige und zum Glück seltene Charakter-Kombi aus Verschlossenheit und Indiskretion. Obwohl L. sehr intelligent ist, hält er im Gegensatz zu N. nicht grundsätzlich alle anderen Leute für Idioten, es sei denn, Diplome und staatliche Ehrungen beweisen das Gegenteil (und selbst dann... heutzutage kann ja jeder Idiot...), er ist nicht vollkommen besessen von einem Ehrgeiz, der sich auch auf Leute aus seiner Umgebung erstreckt (das Prinzip Hockey-Mum) und der dafür sorgen würde, dass für unsere Kinder die Schulzeit und das Studium die Hölle wäre, er zieht sich nicht an wie ein Rentner, er sagt, was er denkt, und was er denkt, will ich gerne hören. Er vermutet nicht hinter allem eine Intrige, die sich gegen ihn richtet, er müllt einen nicht zu mit sinnlosen Aufgaben und jammert dann herum, wenn man sie nicht „planmäßig“ erledigt, überhaupt nimmt „Planmäßigkeit“ in L.s Leben zum Glück einen sehr geringen Raum ein. Er nimmt auf der Straße meine Hand. Er trinkt Wein und guckt mich nicht an wie einen Junkie, wenn ich auch welchen trinke. Er verkneift sich und anderen nicht dauernd alles, was schön ist. Er hat keine Arbeit-für-fünf-Psychiater-Probleme mit seiner Kindheit. Er hat Freunde.

Dann war da O.
O. war im Gegensatz zu N. kein offensichtlicher Freak, sondern ein fröhlicher, lustiger, schlauer und wirklich sehr hübscher Kerl. Warum der sich in mich verguckt hat, habe ich nie verstanden, ich hätte nicht gedacht, dass ich sein Typ bin, und er dann wohl irgendwann auch nicht mehr. Die Gründe, warum ich mit L. besser dran bin als mit O., sind nicht ganz so offensichtlich wie bei N. Damit will ich sagen, die Gründe sind nicht mit Neonfarbe angestrichen, haben keine heulende Sirene auf dem Dach, sind nicht 20 Meter hoch und werden nicht von riesigen Scheinwerfern angestrahlt. Aber sie sind immer noch sehr gut erkennbar. L. hat zum Beispiel im Gegensatz zu O. nicht nur Fotos in seiner Wohnung hängen, auf denen er selbst zu sehen ist und möglichst gut aussieht. Er WILL im Gegensatz zu O. Kinder (die offensichtlichen Unterschiede darf man nicht vergessen). Er verschwindet nicht einfach wochenlang und geht nicht mehr ans Telefon. Er hat keine merkwürdigen wunden Punkte in seiner Vergangenheit, die er erst düster andeutet und über die er dann auf gar keinen Fall reden will. Er ist kein Kettenraucher. Er ist nicht süchtig danach, sich alle paar Wochen neu zu verlieben. Wenn ein müder Kneipenbesitzer ihm morgens um vier sagen würde, dass jetzt Feierabend ist, würde er nicht mit ihm diskutieren und ihn „Spießer“ nennen. Überhaupt neigt er nicht dazu, Leute als Spießer zu bezeichnen, weil sie irgendwas anders sehen als er. L. liebt es, Pläne zu machen für eine Zukunft, die weiter weg ist als 24 Stunden. L. bekommt keine Existenzkrise, weil eine 20jährige ihn gesiezt hat. L. wäre bereit, einen Raum in seiner Wohnung für ein Kind herzugeben (was bei O. schon allein deshalb schwierig wäre, weil das eventuell bedeuten könnte, dass er in diesem Raum in Zukunft keine sensiblen Portraitfotos von sich selbst mehr aufhängen kann). L. hat einen Führerschein. L. ist im Gegensatz zu O. nicht dann am liebevollsten, wenn er die meisten Bierchen hatte.

Dann war da noch J.
J. war eigentlich ganz toll. Aber da waren wir beide noch zu klein. So lange man es noch für nötig hält, seine verhassten Schul-Leitz-Ordner aufzubewahren („wer weiß, wozu?“), ist man noch zu klein für Kinder. So lange man sich noch mit seinen Eltern streitet, ob man Motorrad fahren darf oder nicht, ist man auch noch zu klein. So lange man noch zusammen zuckt, wenn die Dosenbiergang in der Fußgängerunterführung rumlungert. So lange man noch Schminktipps aus der Brigitte Young Miss ausprobiert. Und so lange man noch in jeden französischen Autorenfilm rennt, vermutlich auch. Aber obwohl J. so toll war und der beste erste Freund, den man sich wünschen kann, außerdem der einzige meiner Ex-Freunde, den ich heute noch wirklich gerne sehe, gibt es doch noch eine Menge Gründe außer dem Alter, warum ich jetzt mit L. hoffe, dass die Hamsterspritzen wirken, und mit J. gehofft habe, dass die Pille danach gewirkt hat. Zum Beispiel hat L. mich noch nie betrogen. Wenn er mir was erzählt, schalte ich fast nie auf Durchzug, und ich schalte schnell auf Durchzug. (Ich bin sogar imstande, während einer Gehaltsverhandlung auf Durchzug zu schalten.) L. jammert nicht wochenlang herum, wenn irgend was nicht so klappt, wie er denkt. L. hat noch nie schlechte Laune als Druckmittel benutzt, er hat mich noch nie in eine Lage gebracht, in der ich mich zwischen meinen Freunden und ihm entscheiden musste, und ich habe nie das Gefühl, irgend etwas wurschtegales unbedingt tun oder lassen zu müssen, weil es ihm sonst ganz, ganz doll schlimm weh tut. L. hat keine Platten von Cat Stevens und spielt GOTT SEI DANK! nicht in einer Band mit, in deren Repertoire Gitarrensoli eine große Rolle spielen und deren Mitglieder sich hassen. Und er nimmt nicht Mix-Kassetten für irgendwelche Mädchen auf. Seine Verwandtschaft wohnt nicht direkt nebenan und fragt alle zwei Tage nach Enkelkindern. Er ist nicht ständig pleite und kann deshalb mit mir essen gehen, einkaufen oder verreisen, ohne dauernd über die Preise zu jammern.

Ich merke gerade, dass das alles 1a Gründe dafür sind, mit L. zusammen zu sein. Mit Kindern zu tun haben viele davon für euch vielleicht nicht so viel. Für mich aber doch. Denn ich glaube ganz fest, dass das Zusammensein zu zweit auf jeden Fall grobe Anhaltspunkte dafür liefert, wie das Zusammensein zu dritt oder viert oder fünft sein kann.

Und was das betrifft, wollte ich heute nur mal sagen, auch wenn er das nie lesen wird*: Also, das Zusammensein zu zweit, das kann L. richtig gut. Und das schreibe ich bestimmt nicht nur, weil er Geburtstag hat.

Er ist vielleicht ein Geburtstagskind, aber ich bin ein Glückskind.

* Doch doch, L. weiß, was ich hier tue, und ich habe ihm schon oft gesagt, dass er das auch lesen darf. Aber er will nicht. Ich kann euch nicht sagen wieso, aber ich finde, das ist ein weiterer Pluspunkt. Einer von ungefähr acht Millionen.

2 Kommentare:

  1. Hilfe! Mit N. war ich vermutlich auch mal zusammen! Die Gemeinsamekeiten mit H. (vermutlich ein Tarnname) können kein Zufall sein!
    entsetzt, murphy

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